Mein erstes Mal

Erstes Mal

Unfähig Schlaf zu finden liegen wir schweigend in diesem riesigen Bett. Winzige Perlen von frischem Schweiss sammeln sich in dem Graben zwischen meinen Brüsten. Den Innenseiten der Schenkel, Schläfen, Stirn. Laufen langsam in feinen Bahnen, kleinen Rinnsalen über meine von der Sonne gebräunte Haut. Diese Nacht ist heiss, sehr heiss. Die Lichter der Strasse zeichnen lange Schatten an die vergilbten und schmuddeligen Wände. Einst, vor vielen Jahren standen sie sich bestimmt in strahlendem Weiss gegenüber. Doch diese Zeiten scheinen vorbei. Die Zimmerpreise haben uns nicht in grosse Erwartungen tauchen lassen. Jedenfalls nicht was den Komfort das Etablissement betrifft. Schwüle, schwere feuchte Luft schwängert diese Nacht. Das monotone Geräusch des Ventilators lässt jegliche Hoffnung auf Kühlung unerfüllt. Durch das weit geöffnete Fenster dringt der Großstadtlärm. Wie jede Nacht fällt es der Mabini Street schwer sich und ihr Treiben dem baldigen Morgengrauen zu unterwerfen. Mabini Street, Endstation von Moral und Verstand. Ein brodelnder Hexenkessel aus dem jeder seine Droge fischt ohne sich den Konsequenzen bewusst zu sein. Manila was geschieht da mit dir.  Ich löse mich von diesen Gedanken. Immer noch liegen wir in unserem Schweigen. Dieses Schweigen ohne Ruhe, Unerträglichkeit liegt im Raum. Eine fallende Stecknadel würde vielleicht das laute Schweigen unterbrechen. Es gibt da was was ich klären muss. Jetzt, ja jetzt!

Seit zwei Monaten sind wir nun zusammen auf reisen. Bernadette und ich. Zwei Mädels 18 und 21 Jahre alt, aufgebrochen um die Welt zu entdecken. Für beide das erste Mal. Bernadette habe ich erst kurz vor unserer Reise kennen gelernt. Gerade als sie ganz frisch die Stelle als Serviertochter in der Gaststätte meiner Mutter angetreten hat. Ich, 18 Jahre, habe Fieber, Reisefieber. Obschon ich noch nie so weit weg gewesen bin verspüre ich ein reissen. Ein stetes sehnen nach neuem, fremden, fernen. Meine Lust zu reisen und mein ständiges lautes träumen von exotischen Ländern scheinen sie ausreichend angesteckt zu haben. Es dauerte auch nicht lange bis es beschlossene Sache ist, wir werden zusammen aufbrechen. Länder mit fremd klingenden Namen bereisen. Menschen in ihren so anderen Welten erleben. Nie zuvor gerochene Düfte atmen, unsere Augen mit Offenheit und in staunen weiden lassen. ganze neun Monate lang. Meine Mutter ist nicht sonderlich begeistert über mein abwerben ihres Service Personals. Eher das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen unser dickstes Fell überstülpen um ihrem gezetere einiger massen Stand zu halten. Scheinbar bleibt ihr nicht viel anderes übrig als diese Tatsache mürrisch und dies mit Tonnen von Vorwürfen zur Kenntnis zu nehmen. Ihr bleibt nichts anderes übrig, schade. Ich hätte da schon eine andere Variante gewusst: „Ja mein Schatz, wenn das euer Wunsch ist dann zieht los. Ich wünsche euch…. „… oder so in der Art. Nun, so weit so gut. Nur, wohin soll unsere Reise gehen? Die Vielfalt, unsere Unentschlossenheit und das ständige hüpfen von Destination zu Destination lässt mir nur eine Wahl. Her mit der Weltkarte. Eine passend grosse glatte Wand, Stecknadeln und ein Dartpfeil. So geht das mit dieser Entscheidung in meiner Welt. Jeder hat ein Schuss. Zwischen diesen zwei Destinationen wird verhandelt. Die Flugtickets über Singapore nach Manila waren schnell gebucht. Philippinen wir kommen! Yeaahhh!!!

Wenn ich ganz ehrlich bin habe ich Bammel gehabt. Einen Heiden Schiss. Alleine auf reisen zu gehen erfüllte mich mit blanker Angst. Doch die Sehnsucht hat gesiegt und jetzt kommt ja Bernadette mit. Alles gut, scheinbar. Nach zwei Monaten und beinahe 24 Stunden täglichen Zusammenseins, bestimmt etwas Elementares unseren Alltag. Wir können uns nicht mehr riechen. Jede Art des Austausches Endet in einem Sumpf der schlechten Gefühle. Gereiztheit, Wut gehören dazu. Eine für mich schreckliche Situation. Kein Weg führt daran vorbei.  Keinen Weg für ein WIR. Ein Wechselbad der Gefühle in dem ich schwimme. Ich lebe jetzt und jeder Moment scheint zur Qual zu werden wenn ich nichts ändere. Doch bei der Vorstellung alleine weiter zu reisen. Der Flug nach Jakarta ist schon gebucht. Ein neues Land, fremdes unbekanntes und ich darin. In diesem Film der Zukunft spiele ich eine kärgliche und ängstliche Rolle. Die Vorstellung daran macht mir Angst. Doch da ist der Moment, das ist noch viel schlimmer. Jegliche Versuche der Aussprache, ein etwaiges finden von „zusammen“ scheitert kläglich. Eine Gemein, Einsa… also Gemeinsamkeit, unter diesen Umständen, das Grauen. Ich liege im Bett und weiss das ich es gleich sagen muss. Alle meine Worst Case Szenarien unterdrückend nehme ich Mut zusammen. Versuche zu sprechen. Jetzt!  Meine Stimmbänder versagen kläglich. Ein kleinlautes gurgeln scheint in den Raum zu fliesen.  Der Schreck über meine Unsicherheit jagt eine Schauer durch meinen Körper. Und während ich meinem dünnen Versuch zu sprechen nachhorche, in diesem Moment werde ich mir der ganzen Tragweite bewusst. Hier geht es um mehr als nur eine Entscheidung. Um vieles mehr! Mehr als nur die des alleine reisen zu müssen und die damit verbundenen Ängste. Hier stehen auch noch ganz andere Entscheidungen an. Fundamentales wie; Ich hab A gesagt also muss ich auch B sagen. Oder, ich kann Bernadette doch nicht alleine lassen. Ich wollte ja so mit ihr. Was werden die anderen denken. Ich hab’s wider einmal nicht durchgezogen. Was sagt meine Mutter da ich ihr ja das Personal ausgespannt habe.  Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Möchte ich mich weiter unterjochen lassen von meinen nicht ganz eigenen Gedanken. Gefangen in diesen Windungen dieses Glaubens die so garnicht zu mir passen, zu mir und in mein Leben. Möchte Ich mir mit solchen Strukturen des Denkens mein Dasein immer wieder auf eine beklemmende Art unzuträglich machen? Das plötzliche Wissen in einer Reinheit und einer Klarheit verschlägt mir beinahe den Atem. Das Wissen; Alles ist Gut!  Ich höre mich sagen, deutlich und bestimmt: „Bernadette ich werde wenn wir in Jakarta landen alleine weiter meinen Weg gehen.“

Schweigen

Liebe Stecknadel, falle endlich! Was nun folgt habe ich so nie und nimmer erwartet. Mit einer Geschwindigkeit die beinahe eine erfrischende Kühlung, ja fast eine Erleichterung durch das stickige Zimmer wirbelt, schlägt Bernadette ihr feines Laken zurück.  Laut kreischend, mich mit allem verbalen, was ich hier nicht wiedergeben möchte bewerfend, stürmt sie durchs Zimmer. Schnappt sich ihren Tramper, schmeisst wahllos ihre Kleider hinein und stopft den ganzen Rest oben rein. Ungläubig dies gerade so zu erleben wie es gerade geschieht, liege ich bewegungslos im Bett. Das ganze dauert knappe zehn Minuten. Tür auf, Tür zu. Ich bin allein.  Und so beginnt meine abenteuerliche, selbstbestimmte Reise durch Asien und Australien. Bereichernde und prägende Erlebnisse haben meinen Weg gepflastert. Mein erstes Mal. Das war vor einer gefühlten Ewigkeit. Seither habe ich unzählige Reisen gemacht, immer alleine und in Dankbarkeit für diesen Mut zur Entscheidung meinen eigenen Weg zu gehen.

Nun ist es Zeit für neue Wege. Wege die mit einer gefällten Entscheidung schon begonnen haben. Die Reise durch Thailand und China steht kurz vor bevor. Genau gesagt noch eine Nacht. Die Challenge für mich, es werden viele Teilnehmer sein, über mehrere Wochen hinaus. Du lieber Himmel, was für eine Herausforderung. Eine richtig, richtig grosse Herausforderung sogar. Wie gross habe ich gerade eben wieder bemerkt. Ich habe mich dabei ertappt den 16stündigen Flug alleine Fliegen zu wollen. 🙂

Die Zeit der einsamen Wölfe ist vorbei.

Bis gleich

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